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Goethes Binsenkorb. |

wenn mir etwas zur Geschichte eines Objekts bekannt wird, egal was es an Alltagsgegenständen u. a. auch sein mag, bekommt dieses eine andere Ausstrahlung, ein "Gesicht". Ich forsche gerne nach, was aus Dingen wurde, die Goethe und anderen einmal wichtig waren.
Bei dem Korb frage ich mich auch: wer hat ihn wohl gemacht? Die Hände, die ihn flochten, sind in gewisser Weise auch in die Geschichte eingegangen.
Eckermann, Gespräche mit Goethe. 24.9.1827:
Mit Goethe nach Berka. Bald nach acht Uhr fuhren wir ab; der Morgen war sehr schön. Die Straße geht anfänglich bergan, und da wir in der Natur nichts zu betrachten fanden, so sprach Goethe von literarischen Dingen. [...]
Im Wagen zu unsern Füßen lag ein aus Binsen geflochtener Korb mit zwei Handgriffen, der meine Aufmerksamkeit erregte. „Ich habe ihn,“ sagte Goethe, „aus Marienbad mitgebracht, wo man solche Körbe in allen Größen hat, und ich bin so an ihn gewöhnt, daß ich nicht reisen kann, ohne ihn bei mir zu führen. Sie sehen, wenn er leer ist, legt er sich zusammen und nimmt wenig Raum ein; gefüllt dehnt er sich nach allen Seiten aus und faßt mehr, als man denken sollte. Er ist weich und biegsam, und dabei so zähe und stark, daß man die schwersten Sachen darin fortbringen kann.“
„Er sieht sehr malerisch und sogar antik aus,“ sagte ich. „Sie haben recht“, sagte Goethe, „er kommt der Antike nahe, denn er ist nicht allein so vernünftig und zweckmäßig als möglich, sondern er hat auch dabei die einfachste, gefälligste Form, so daß man also sagen kann: er steht auf dem höchsten Punkt der Vollendung. Auf meinen mineralogischen Exkursionen in den böhmischen Gebirgen ist er mir besonders zustatten gekommen. Jetzt enthält er unser Frühstück. Hätte ich einen Hammer mit, so möchte es auch heute nicht an Gelegenheit fehlen, hin und wieder ein Stückchen abzuschlagen und ihn mit Steinen gefüllt zurückzubringen.“
[...]
Wir waren indes das kleine Tal hinabgefahren, wo die Straße über eine hölzerne, mit einem Dach überbaute Brücke geht, unter welcher das nach Hetschburg hinabfließende Regenwasser sich ein Bette gebildet hat, das jetzt trocken lag. Chausseearbeiter waren beschäftigt, an den Seiten der Brücke einige aus rötlichem Sandsteine gehauene Steine zu errichten, die Goethes Aufmerksamkeit auf sich zogen. Etwa eine Wurfsweite über die Brücke hinaus, wo die Straße sich sachte an den Hügel hinanhebt, der den Reisenden von Berka trennet, ließ Goethe halten. „Wir wollen hier ein wenig aussteigen,“ sagte er, „und sehen, ob ein kleines Frühstück in freier Luft uns schmecken wird.“ Wir stiegen aus und sahen uns um. Der Bediente breitete eine Serviette über einen viereckigen Steinhaufen, wie sie an den Chausseen zu liegen pflegen, und holte aus dem Wagen den aus Binsen geflochtenen Korb, aus welchem er neben frischen Semmeln gebratene Rebhühner und saure Gurken auftischte. [...]
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Gartenhaus, Schlafzimmer mit dem Korb, der bis um 1960 dort hing |
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Das selbe Zimmer heutzutage, wo ist der Korb hingekommen? |
Wenn mir etwas zur Geschichte eines Objekts bekannt wird, egal was es auch sein mag, bekommt dieses eine andere Ausstrahlung, ein "Gesicht". Bei dem Korb frage ich mich auch: wer hat ihn wohl gemacht? Die Hände, die ihn flochten, sind in gewisser Weise auch in die Geschichte eingegangen.
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Goethe mit 79 Jahren |
Eckermann schrieb dazu am 6.6.1828:
Der König von Bayern sandte vor einiger Zeit seinen Hofmaler Stieler nach Weimar, um das Porträt Goethes zu machen. Als eine Art Empfehlungsbrief und als Zeugnis seiner Geschicklichkeit brachte Stieler das vollendete lebensgroße Bildnis eines sehr schönen jungen Frauenzimmers mit, nämlich das der Münchener Schauspielerin Fräulein von Hagn. Goethe gewährte darauf Herrn Stieler alle gewünschten Sitzungen, und sein Bild ward nun vor einigen Tagen fertig.
Diesen Mittag war ich bei ihm zu Tisch, und zwar alleine. Beim Dessert stand er auf und führte mich in das den Speisesaal angrenzende Kabinett und zeigte mir die jüngst vollendete Arbeit Stielers. – Darauf, sehr geheimnisvoll, führte er mich weiter in das sogenannte Majolikazimmer, wo sich das Bild der schönen Schauspielerin befand. »Nicht wahr,« sagte er, nachdem wir es eine Weile betrachtet, »das ist der Mühe wert! – Stieler war gar nicht dumm! – Er brauchte diesen schönen Bissen bei mir als Lockspeise, und indem er mich durch solche Künste zum Sitzen brachte, schmeichelte er meiner Hoffnung, daß auch jetzt unter seinem Pinsel ein Engel entstehen würde, indem er den Kopf eines Alten malte.«
Das lockende Gemälde war ein Portrait der Münchner Schauspilerin Charlotte von Hagn. Stieler malte es 1828 für die Schönheitengalerie des bayerischen Königs Ludwig I. In diesem Jahr begann die Schauspielkarriere der 17jährigen.
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